20. Mai 2016
Bäckergeselle Markus auf der Walz besucht BSZW
Angehende Hotelfachleute erleben alte Handwerkstradition im Unterricht
Ein nicht alltägliches Bild bot sich Schülern und Lehrern, als Bäckergeselle Markus in der vergangenen Woche in seiner karierten Kluft, mit breitkrempigem schwarzen Hut, einem Bündel und seinem Wanderstab bei der Schulleitung im Berufsschulzentrum vorsprach: Er würde gerne eine Ausbildungsklasse über die Walz informieren, um so eine Aufgabe seines Altgesellen erfüllen.
Die Klasse der Hotelfachleute F2b nahm sein Angebot gerne an, aus erster Hand mehr über diese heute ungewöhnliche Art der Weiterbildung zu erfahren.
Die Schülerinnen befragten den jungen Mann aus dem Vogtland, der seit Januar auf der Walz ist, nach seinen Beweggründen und natürlich nach den fremd und altmodisch anmutenden Äusserlichkeiten.
Drei Jahre und ein Tag
Bäckergeselle Markus gab bereitwillig Auskunft und verriet nebenher auch einige Begriffe aus der eigenen Sprache der Wanderburschen: Wir wissen also jetzt, dass wir von den ehrbaren Handwerksgesellen „Kuhköppe“ genannt werden.
Nach der Entscheidung für die Walz und der Abschiedsfeier von Familie und Freunden wird das Handy an die Scheunentür genagelt und mit nur 5 Euro in der Tasche die Walz für drei Jahre und einem Tag begonnen, erfuhren die Auszubildenden.
Reisen mit leichtem Gepäck
Natürlich wollten die Schüler auch wissen, was im Reisebündel, Charlottenburger genannt, mitgenommen wird: neben Schlafsack, Wäsche, Arbeitskleidung, Nähzeug auch zehn Briefe des Altgesellen mit verschiedenen Aufgaben für die erste Zeit.
Alle Vorgaben und Regeln für die Walz werden ausschließlich mündlich weitergeben. Die ehrbaren Gesellen, die ohne Vorstrafen, schuldenfrei und ohne familiäre Verpflichtungen sich nur bis auf 50 km dem Heimatort nähern dürfen, halten alte Rituale und Regelungen ein, die dem modernen Menschen nicht immer verständlich sind.
Nicht allen Schülern war bekannt, dass die dreijährige Wanderschaft durch die eigene Arbeit finanziert werden muss. Die einzelnen Arbeitsverhältnisse werden genauso im Wanderbuch dokumentiert, wie das „Vorsprechen“ bei den Handwerkskammern und -Innungen und den Bürgermeistern der besuchten Städte und Gemeinden. Besonders interessant fanden die Schüler, dass für die Reise kein Geld ausgegeben werden darf, so dass Wandern und Trampen die gängige Art der Fortbewegung darstellt.
Deutschland, Europa und die ganze Welt
Dass die Walz ganz handfeste Vorteile für das berufliche Fortkommen bietet, erfuhren die Auszubildenden, als Markus ihnen erklärte, dass im ersten Jahr in Deutschland gelebt und gearbeitet wird, im zweiten Jahr in Europa und im dritten Jahr die Walz sogar ausserhalb Europas möglich ist. Auf diese Art werden zusätzlich zum Erlernen verschiedener Handwerkstechniken auch vielfältige Kontakte für die spätere Berufstätigkeit geknüpft. In der modernen Sprache würde man dies wohl als „Netzwerk“ bezeichnen.
Das Gefühl von Freiheit und der Verantwortung sich selbst gegenüber stellen nach eigener Aussage für den wandernden Bäckergesellen eine große Bereicherung dar. Das einfache, aber streng geregelte Leben auf der Walz mache ihn ruhiger und gelassener und verleihe ihm zudem das stolze Gefühl einer besonderen „community" anzugehören.
Die angehenden Hotelfachleute bedankten sich abschließend bei Markus für diese spannende und informative Unterrichtsstunde. Wir wünschen dem Bäckergesellen alles Gute auf der Walz und schöne, lehrreiche Wanderjahre.
Hier finden Sie weitere Informationen über die Bäckerwalz.
Wilhelm Beermann