Verlegung 7. Dezember 2015
Frida SCHRÖER
geboren am 01.02.1914
Straße: Benzstraße 9, früher: Atter Nr. 15, Krs. Osnabrück
Stadtteil: Atter
Todesdatum: 30.05.1943
Todesort: Altscherbitz
Frida Schröer lebte bei ihren Eltern in Atter. Die Bezeichnung "Haustochter" besagt,
sie ging keiner Berufstätigkeit nach. Frida Schröer wurde am 24. Juni 1939 mit 25
Jahren in der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück aufgenommen. Vier Jahre
später wurde sie mit 19 anderen Frauen, am 18.09.1942 nach Hildesheim verlegt. Die
zu diesem Transport noch vorhandene Akte beweist, dass die Angehörigen erst nach
der Verlegung benachrichtigt wurden. Allen Betroffenen wurde am 22.9.1942 ein
Schreiben mit dem gleichen Wortlaut zugeschickt:
"Auf Veranlassung des Herrn Oberpräsidenten (Verwaltung des Provinzialverbandes)
in Hannover ist ihr (Pflegling, Schwester, Tochter usw.) - Name -, am 18. dieses
Monats von hier in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Hildesheim verlegt worden. Sie
sollen sich in Zukunft wegen Auskunft über die Kranke nach dorthin wenden. Heil
Hitler! Dr. Kracke".
Wie aus Osnabrück, so waren auch aus der Anstalt Hildesheim schon 1941 Menschen
ins Gas geschickt worden, weil ein Teil der Anstalt als Lazarett genutzt werden sollte.
Vom Oberpräsident von Hannover wurde 1943 die Räumung eines weiteren Teiles der
Anstalt Hildesheim angeordnet. Weil die "Schutzstaffel Germania" mit einer SS-Schule
im Anstaltsteil "Michaeliskloster" untergebracht werden sollte, wurden mindestens 120
Menschen durch den Anstaltsleiter Grimme ausselektiert und nach Uchtspringe,
Altscherbitz und Pfaffenrode verlegt. Am 13.4.1943 ging ein Transport mit 65 Frauen
nach Altscherbitz. Unter ihnen befand sich Frida Schröer. Nach wenigen Wochen starb
sie dort am 30.5.1943 durch Hunger oder Medikamentenvergiftung, denn als
Todesursache wird wie bei anderen Frauen aus diesem Transport, "körperliche
Erschöpfung" angegeben. "Die Häufung der Todesfälle (...Frida Schröer (u.a.)
verstarb(en) bereits innerhalb der ersten sechs Wochen nach Ankunft in Altscherbitz)
sowie die schematischen Todesursachen legen nahe, was ich auch im Fall anderer
Zugtransporte nach Altscherbitz für sehr naheliegend halte: Viele Patienten verstarben
nachweislich infolge von Hunger ...." So äußert sich Frank Hirschinger, Autor des
Buches "Zur Ausmerzung freigegeben" in seiner Auskunft zum Verbleib Osnabrücker
Patientinnen. Die Familie ließ Frida Schröer nach Osnabrück zur Erdbestattung
überführen. Frida Schröer war bei ihrem Tode erst 29 Jahren alt.
Opfergruppe: Krankenmorde
Quellen:
Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Osnabrück, Rep 727 Akz 13/85 - Jahr
1942 Nr. 5468; Auskunft Frank Hirschinger per mail; 175 Jahre Niedersächsisches
Landeskrankenhaus Hildesheim (1827-2002) LKH-Hildesheim Hg. Hildesheim 2002 -
darin Thorsten Sueße: Hilflose Empörung angesichts des Unfassbaren; Lisa Böhne:
"Osnabrücker Schicksale" - bisher unveröffentlichtes Manuskript, Osnabrück 2014.
Patenschaft: Bürgerforum Atter
August ARNDT
geboren am 19.12.1906 in Osnabrück
Straße: Adolf-Staperfeld-Straße 67, früher: Grenzweg 67
Stadtteil: Sutthausen
Todesdatum: 12.01.1952
Todesort: Osnabrück
Der Vater von August Arndt, der Feilenhauermeister gleichen Namens, wurde 1865 in
Nieder-Sprockhövel bei Schwelm geboren. Er zog im März 1904 mit 39 Jahren nach
Osnabrück an die Sandstr. 31. Am 4.12.1906 heiratete er die zwölf Jahre jüngere
Helene Wöhning aus Osnabrück. Das Paar bekam drei Kinder. August, der Älteste
wurde am 19. Dezember 1906 geboren. Von seinen 1908 und 1909 geborenen
Schwestern starb die jüngste schon mit vier Monaten. August absolviert eine
Schlosserlehre.
1931, noch in der Weimarer Republik, wurde er mit 24 Jahren erstmals als aktives
Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Kartei der politischen Polizei
vermerkt. Diese Kartei wurde nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten
von der Gestapo weitergeführt. Mit 25 Jahren wurde er als Redner der KPD
Osnabrück und Mitglied im Aktionsausschuss aktenkundig. 1936 wird festgehalten, er
sei ehemaliger Spielleiter des kommunistischen Sportvereins "Freiheit" (Rote
Sporteinheit) in Osnabrück. August Arndt wurde 1936 mit 29 Jahren von der Gestapo
verhaftet. Er wird beschuldigt, im März 1936 im Auftrag von Max Kowalski
kommunistische Flugblätter transportiert zu haben. Dafür wurde er vom 28. März bis
zum 15. September 1936 im Gefängnis Osnabrück als Untersuchungshäftling inhaftiert
und in Hamm zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verbüßte seine Strafe bis zum
28. März 1938 im Zuchthaus Celle. Von dort deportierte man ihn unmittelbar nach
Haftende ins Konzentrationslager Buchenwald.
Während des KZ-Aufenthaltes war August Arndt Mitglied des Widerstandes im Lager.
Dass führte dazu, dass er u. a. "schwersten Misshandlungen in der Strafabteilung
durch die SS-Wachtposten" ausgesetzt war. Darüber hinaus hatte er sich im
Konzentrationslager Buchenwald mit Tuberkulose infiziert. Aus dem Rentengutachten
vom 24.5.1949 geht folgendes hervor: August Arndt war "1941 im KZ Buchenwald als
Pfleger auf einer Tbc- Station tätig, wo er sich 1943 mit Tbc infizierte." Buchenwald
wurde am 13. Mai 1945 von alliierten Truppen befreit.
August Arndt wird 1945 nach seiner Entlassung aus Buchenwald im Krankenhaus
Ohrbeck stationär aufgenommen. Am 25. März 1948 heiratete August Arndt mit 42
Jahren seine acht Jahre jüngere Frau Lucie in Osnabrück. Der Aufenthalt im
Konzentrationslager hat nachhaltig seine Gesundheit zerstört. Das Rentengutachten
besagt, dass er sich "vom 23.8.1948 - 23.11.1948 in der Lungenheilstätte Braunlage,
(aufhielt) wo er wegen einer doppelseitigen produktiven, cirrhotischen offenen
Lungentuberkulose behandelt wurde." Über das Buchenwald-Komitee konnte er sich
vom 6.12.1949 bis 19.8.1950 im Karl von Ossietzky-Sanatorium - einer VVNErholungsstätte
im Südharz zur Kur aufhalten, die jedoch keine Heilung brachte. 110
Monate Inhaftierung - dass sind mehr als 9 Jahre - wurden ihm für die
"Wiedergutmachung" anerkannt. August Arndt war erwerbsunfähig und wurde
verrentet. Er arbeitete noch zeitweise ehrenamtlich für die VVN, Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes, in der Betreuungsstelle für ehemalige politische Häftlinge
in Osnabrück. August Arndt starb am 12. Januar 1952 an den Folgen der KZ-Haft mit
46 Jahren an offener Tuberkulose in Osnabrück.
Opfergruppe: politisch Verfolgter
Quellen:
Niedersächsisches Landesarchiv - Standort Osnabrück, Dep 3b XVIII Nr. 111,
Gestapokartei: Rep 439 Nr. 19, Rep 430 Dez 902 Akz 2003/068 Nr. 291; Böhne, Lisa:
"Osnabrücker Schicksale" - bisher unveröffentlichtes Manuskript, Osnabrück 2014.
Patenschaft: SPD-Ortsverein Sutthausen
Johannes BEERLAGE
geboren am 24.05.1919 in Osnabrück
Straße: Bröckerweg 28, früher: An der Schützenburg 25
Stadtteil: Schölerberg
Todesdatum: 07.07.1942
Todesort: Ravensbrück
Der Vater von Johannes Beerlage, ebenfalls mit Vornamen Johannes, wurde 1883 in
Enschede geboren. Er zog mit 22 Jahren am 3. September 1905 aus Frensdorf
(Süddeutschland) nach Osnabrück. Er war Fabrikarbeiter. Die Mutter, Marie
Fahnenschreiber, wurde 1894 in Oudenaarde in Belgien geboren. Vor der Heirat
wohnte sie in Linne. Die Familie lebte zwar in Osnabrück, hatte aber die
niederländische Staatsangehörigkeit des Vaters behalten, denn sie wird in der
Einwohnermeldekartei als "Holländer" geführt. Johannes Beerlage wurde am 24. Mai
1919 in Osnabrück geboren. Über seine Lebensverhältnisse ist nichts bekannt. Nur
über die letzten Jahre seines Lebens gibt die Gestapo Karteikarte dürftige Auskünfte.
Der erste Eintrag am 22.2.1941 verkündet: "B. wurde am 10. Februar 1941
festgenommen, weil er sich einem Zellenleiter der NSDAP gegenüber ungebührlich
benommen hatte und durch sein Verhalten seinen Eltern gegenüber, die
Volksgemeinschaft beeinträchtigt hatte. Er wurde nach einer Haftdauer von 10 Tagen,
am 20.2.41 wieder entlassen."
Am Südrand von Achmer befand sich ein Barackenlager für Zivilarbeiter. Offensichtlich
wurde Johannes Beerlage dort zur Pflichtarbeit herangezogen und geriet dabei, nur
zwei Monate später, wieder in Konflikt mit Funktionären des Naziregimes. Das drückte
sich in einem weiteren Eintrag auf seiner Gestapokarteikarte aus, in dem es heißt: "B.
wurde am 19.4.41 festgenommen, weil er in dem Gemeinschaftslager des Flugplatzes
in Achmer durch unwürdiges Verhalten die Ruhe und den Frieden im Lager in
erheblichem Masse gestört hatte. Er wurde am 22.4.41 auf die Dauer von 6 Wochen
dem Arbeits- und Erziehungslager Recklinghausen zugeführt."
Arbeitserziehungslager waren die Konzentrationslager der Gestapo, die seit
Kriegsbeginn damit endgültig die Bekämpfung aller "Arbeitsdelikte" an sich gerissen
hatte. Inhaftiert wurden Menschen, die unentschuldigt fehlten, krankfeierten, ihren
Arbeitsplatz ohne Zustimmung des Arbeitsamtes verließen, oder eine von diesem
zugewiesene Arbeit nicht antraten. Das Arbeitserziehungslager Recklinghausen war
im April 1941 von der Gestapo Münster eingerichtet worden. Der nächste Eintrag
zeigt, dass Johannes Beerlage noch einmal zurückkommt. "B. wurde am 3.Juni 41 aus
dem Arbeits- und Erziehungslager Recklinghausen wieder entlassen. Für den
Wiederholungsfall wurden ihm schärfere staatspolizeiliche Maßnahmen angedroht."
Am 8. Januar 1942 wird er erneut verhaftet, der Eintrag vom 22. Januar 1942 vermerkt
dazu: "B. hatte wiederum die Arbeit verweigert und auch den Polier des Arbeitgebers
tätlich angegriffen. Da B. ein arbeitsscheuer und sittlich verkommener Mensch ist, der
nur sein Leben durch Faulenzen fristet, wurde gegen ihn bei RSHA Schutzhaft und
Überweisung in einem Konzentrations Lager mit Vorschlag für die Stufe II beantragt."
Stufe II galt für "schwerer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige
Schutzhäftlinge". Als Lager dieser Kategorie galten Buchenwald, Flossenbürg,
Neuengamme und Auschwitz II.(vgl. Nürnberger Prozess Bd. 4, 25. Tag, 2. Januar
1946, S. 1946).
Am 18.Februar 1942 wurde für Johannes Beerlage Schutzhaft und Überweisung in
das KZ Buchenwald angeordnet, in das er am 27.02.1942 mit der Häftlingsnummer
7294 eingeliefert wird. Nach wenigen Wochen in Buchenwald wird er am 13. März
1942 in das KZ Ravensbrück überführt und erhält dort die Häftlingsnummer 1067. Die
Häftlingsunterlagen stufen ihn in die NS-Haftkategorie "Politisch, Arbeitsscheu-Reich,
Asozial" ein. Seit April 1941 gab es im Frauen KZ Ravensbrück auch ein Männerlager.
Dieses Lager war kein Einweisungslager. Die Häftlinge wurden, wie auch Johannes
Beerlage, aus anderen Lagern überstellt. "Viele Häftlings-Baukolonnen waren den
zivilen Baufirmen zugeordnet, die vor allem 1941/42 in raschem Tempo den
Lagerkomplex ausbauten. ... Im Männerlager lag die Todesrate aufgrund des
mörderischen Arbeitstempos sowie der Misshandlungen und Schikanen seitens der
SS und vieler Funktionshäftlinge in den ersten Jahren sehr viel höher, als im
angrenzenden Frauenlager." (Ravensbrück, S.500 f.). Der letzte Eintrag auf Johannes
Beerlages Karteikarte lautet: "B. ist am 7. Juli 42 im Konzentrations Lager.-
Ravensbrück verstorben." Johannes Beerlage starb mit nur 23 Jahren.
Opfergruppe: als "asozial" stigmatisiert
Quellen:
NLA-Standort Osnabrück,Rep 439 Nr. 19; Auskunft ITS-Arolsen vom 02.02.2015:
Häftlingspersonalkarte KZ Buchenwald, 1.1.5.3/5501272/ITS Digital Archive, Bad
Arolsen; Häftlingspersonalbogen KZ Buchenwald, 1.1.5.3/5501270/ITS Digital Archive,
Bad Arolsen; Nummernbuch KZ Ravensbrück, 1.1.35.1/3767081/ITS Digital Archive,
Bad Arolsen; Nürnberger Prozess Bd. 4, Der Ort des Terrors Bd. 4, Benz u. a.
Hg./Annette Leo, Ravensbrück, München 2008; Gabriele Lofti, KZ der Gestapo
München 2000; Böhne, Lisa: "Osnabrücker Schicksale" - bisher unveröffentlichtes
Manuskript, Osnabrück 2014
Patenschaft: SPD-Ortsverein Hellern
Anna Sophie BLANKE geb. Landmeyer
geboren am 06.08.1887 in Osterberg/Velpe, Kreis Tecklenburg
Straße: Goldstraße 38
Stadtteil: Innenstadt
Todesdatum: 07.05.1943
Todesort: Altscherbitz
Anna Blanke wurde am 6. August 1887 in Osterberg/Velpe, Kreis Tecklenburg
geboren und ev. reformiert getauft. Über ihre Herkunftsfamilie ist nichts bekannt. Es
finden sich aber Spuren ihres Lebens in der alten Einwohnermeldekartei. Demnach
hatte sich die 24 jährige Magd Anna Landmeyer vom 18.12.1911 bis 29.1.1912 in der
Hebammen Lehranstalt Osnabrück Knollstraße 16, zur Entbindung aufgehalten. Am
12. Januar 1912 wurde sie dort von einem toten Jungen entbunden. Auch für ihre
zweite Geburt, zehn Jahre später, meldete Anna Landmeyer sich am 9. Mai 1921 in
der Hebammen Lehranstalt in Osnabrück an. Sie war 34 Jahre alt, als sie ihre Tochter
Elfriede zur Welt brachte. Am 31. Mai meldete sie sich mit ihrem Kind nach Lotte ab.
Lotte ist der nächstgrößere Ort zu Osterberg/Velpe, ihrer Heimatgemeinde. Anna
Landmeyer heiratete mit 46 Jahren, am 5. August 1933, den Maurer Heinrich Blanke.
Ihre Tochter war mittlerweile dreizehn Jahre alt. Am 4. Mai 1937 zog die Familie in
dem Haus Goldstraße 38 ein. Dreieinhalb Jahre später erkrankte Anna Blanke und
wurde am 29. November 1940 in der Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück
aufgenommen. Dort verbrachte sie fast zwei Jahre. Als Anna Blanke am 18.
September 1942 nach Hildesheim verlegt wurde, war ihr Ehemann inzwischen zur
Holtstraße gezogen. Die erwachsene Tochter lebte in einer eigenen Wohnung. Der
Transport nach Hildesheim umfasste insgesamt 20 Frauen. Deren Angehörige wurden
erst drei Tage später von der Verlegung unterrichtet. In Hildesheim verbrachte Anna
Blanke etwa sieben Monate, bevor sie am 13.4.1943 in einem Transport mit insgesamt
65 Menschen nach Altscherbitz deportiert wurde. "1943 muss es in Altscherbitz
drunter und drüber gegangen sein, denn die Anstalt war in stärkstem Maße von den
Anstaltsräumungen in verschiedenen Regionen des Reiches betroffen: Allein aus dem
Rheinland wurden 900 Patienten nach Altscherbitz verlegt, dazu kamen noch
Transporte aus den Provinzen Hannover und Brandenburg mit 214 Menschen",
schreibt Heinz Faulstich in seinem Standartwerk (S.513).
Zu denen, die keine Chance zum Überleben erhielten, gehörte Anna Blanke. Sie hatte
sich kaum mehr als drei Wochen in Altscherbitz aufgehalten, als sie am 7.5.1943 mit
56 Jahren starb. Die Frage nach Hinweisen auf 'aktive Tötung', was nichts anderes als
Mord an Patientinnen und Patienten bedeutet, beantwortet Heinz Faulstich in seiner
Untersuchung folgendermaßen: "Allein die ungeheure Sterblichkeit im ersten Jahr
nach der Verlegung ist Beweis genug, daß die Patienten unerträglichen
Lebensbedingungen ausgesetzt wurden. Diese bestanden aller Wahrscheinlichkeit
nach ... in einer Hungerkost, in beengter Unterbringung in überfüllten Gebäuden und in
unzureichender pflegerischer und medizinischer Versorgung." Die in ihrem
Totenschein angegebene Todesursache "körperliche Erschöpfung" deutet darauf hin,
das Anna Blanke verhungert ist. Sie wurde am 10. Mai 1943, am dritten Tage nach
ihrem Tod, auf dem Anstaltsfriedhof von Altscherbitz bestattet.
Opfergruppe: Krankenmorde
Quellen:
Rep 727 Akz 13/85 - Jahr 1942 Nr. 5468; Dep 3b XVIII Nr. 424; StaOs Rep 727 Akz
17/83 Nr. 1; Auskunft Staatsarchiv/Häuserbögen - Frau Libera; Auskunft per Mail
Frank Hirschinger Autor des Buches "Zur Ausmerzung freigegeben" Köln 2001,
Faulstich, Heinz: Hungersterben in der Psychiatrie 1914 - 1949, Freiburg im Breisgau
1998; Böhne, Lisa: "Osnabrücker Schicksale" - bisher unveröffentlichtes Manuskript,
Osnabrück 2014.
Patenschaft: International Soroptimist Osnabrück
Arthur BOCK
geboren am 27.01.1880 in Kattowitz/Schlesien
Straße: Kanonenweg 15
Stadtteil: Schinkel
Todesdatum: mit Wirkung vom 08.05.1945 für tot erklärt
Todesort: Auschwitz
Arthur Bock wurde am 27. Januar 1880 in Kattowitz geboren. Vor dem Zuzug nach
Osnabrück lebte er in Oldenburg. Seine Frau Elisabeth Röhmeyer wurde in Osnabrück
geboren und lebte an der Natruperstraße. Als sie Anfang 1917 heirateten war Arthur
Bock 37, seine Frau 25 Jahre alt. Die einzige Tochter Gerda wurde drei Monate später
geboren. Die Familie war evangelisch lutherisch. Dennoch wurde Arthur Bock fünf
Jahre später mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde am 10. November 1938,
nach der sogenannten Reichs-Pogromnacht, aus dem Gestapokeller im Schloss
Osnabrück in das KZ-Buchenwald verschleppt und erst am 20. Dezember 1938 wieder
entlassen. In der Entschädigungsakte berichten Zeuginnen und Zeugen in groben
Zügen wie das Leben von Arthur Bock Schritt für Schritt schon vor seiner Ermordung
zerstört wurde: "Durch seine Inhaftierung am 9.11.1938 habe er seine Anstellung bei
den Osnabrück Kupfer- und Drahtwerken verloren; sein Gehalt sei ihm jedoch bis zum
30.6.1939 weitergewährt worden. Ab 1.7.1939 war er arbeitslos und hat bis zu seiner
Invalidisierung eine Arbeitslosenunterstützung in Höhe 11,70 Reichsmark erhalten."
Die Ehe wurde wenige Monate vor der Silbernen Hochzeit geschieden. In der
Entschädigungsakte findet sich der Hinweis: "... Aus den Aktenunterlagen ... geht
hervor, dass der Verstorbene ab Dezember 1938 nicht mehr für seine Ehefrau gesorgt
hat. Daraufhin ist die Ehe lt. Beschluß des dortigen Landgerichts "vom 14.11.1941 -
Akt. – Z. 2 R. 99/41 – geschieden worden."
In der Zeit der NS-Herrschaft waren Ehen mit einem jüdischen Partner einem hohen
Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Ein "arischer" Partner stellte bis kurz vor Ende der
NS-Zeit, so etwas wie eine Lebensversicherung dar. Zerbrach die Ehe und wurde
geschieden, war der jüdische Partner ungeschützt der Verfolgung ausgesetzt.
Der mittlerweile 62 jährige Arthur Bock erhielt ab 1.2.1940 ein Ruhegehalt von 77,10
RM und ab 1.8.1940 in Höhe von 83,10 RM. Die Tochter erklärte, "diese
Rentenzahlung sei mit Ablauf des Monats August 1942 eingestellt worden, da ihr Vater
am 29.7.1942 nach Theresienstadt abtransportiert worden sei." Dort hat er noch zwei
Jahre überlebt. Sie führt aus: "Bis zum Herbst 1944 stand ich brieflich mit meinem
Vater in Verbindung, seitdem fehlt jedes Lebenszeichen. ... Am 28.10.1944 sei er von
dort in das KZ- Lager Auschwitz überführt worden und von da nicht mehr
zurückgekehrt." Im Kalendarium von Auschwitz ist zu diesem Transport unter dem 30.
Oktober 1944 folgender Eintrag zu finden: "Mit einem Transport des
Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) werden 2038 Juden aus dem Ghetto in
Theresienstadt eingeliefert. In dem Transport befinden sich 949 Männer und Jungen
und 1089 Frauen und Mädchen. Nach der Selektion werden 217 Männer als Häftlinge
ins Lager eingewiesen und mit den Nummern B-13754 bis B-13970 gekennzeichnet.
132 Frauen werden im Durchgangslager untergebracht. Die übrigen 1689 Menschen
werden in den Gaskammern getötet."
Es gibt kein Zeugnis über die letzten Tage von Arthur Bock, aber es ist davon
auszugehen, dass er bei denen war, die unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz in
der Gaskammer ermordet wurden. Demnach wurde er mit 64 Jahren ermordet. Durch
rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 10.2.1951 wurde Arthur
Bock mit Wirkung vom 8.5.1945 für tot erklärt.
Opfergruppe: Jude
Quellen:
Rep 3b XVIII Nr. 116; Rep 430 Dez 304 2003/036 Nr. 924; Danuta Czech,
Kalendarium von Auschwitz, Reinbek bei HH 1989, S. 920; H. G. Adler,
Theresienstadt 1941 - 45 Tübingen 1960; Böhne, Lisa: "Osnabrücker Schicksale" -
bisher unveröffentlichtes Manuskript, Osnabrück 2014.
Patenschaft: Privatperson